Anina Schenker

Tagi - Die «Wikipedia der Kultur»: Eine Künstlerin will möglichst viele Kulturschaffende vernetzen

Die «Wikipedia der Kultur»: Eine Künstlerin will möglichst viele Kulturschaffende vernetzen
12. September 2023

Die «Wikipedia der Kultur»

Eine Künstlerin will möglichst viele Kulturschaffende vernetzen

Anina Schenker hat während Jahren in Zürich die Datenbank Kleio aufgebaut. Alle, die in der Schweiz künstlerisch tätig sind, können hier ihre Arbeiten präsentieren oder mit anderen kollaborieren.

Arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kunst und Digitalisierung: Anina Schenker.
Foto: Claudia Klein

Sie beschreibt ihr Projekt unbescheiden als «Wikipedia der Kultur». Zumindest ist es die Vision von Anina Schenker, dass sich die von ihr entwickelte Datenbank Kleio in der Schweizer Kreativ-Welt ähnlich etabliert wie die gleichnamige Enzyklopädie.

Benannt ist Kleio nach der Muse für Geschichtsschreibung. Die Website ist aber nicht nur ein digitales Nachschlagewerk, sondern auch ein Netzwerk für die Kunst- und Kulturbranche. «Grob zusammengefasst handelt es sich um eine Datenbank mit kollaborativem Arbeitsraum. Alle, die etwas erschaffen, können sich dort eintragen, ein eigenes Archiv und Portfolio anlegen und sich dann austauschen», sagt Schenker, in ihrem Büro beim Zürcher Hallwylplatz.

Je mehr Leute mitmachen, desto spannender wird das Projekt

Nicht nur Künstlerinnen, auch Theaterschaffende, Designer und Amateurinnen und Amateure sind willkommen. «Auch wer die Jahreszeiten stickt und das dokumentieren will, kann sich registrieren», sagt Schenker. Je mehr Leute das Werkzeug nutzen, desto besser. «Dann zeigen sich künstlerische Tendenzen, es gibt neue Netzwerke, und man kann in anderen Werkverzeichnissen 'umenuusche'», sagt Schenker. «Eigentlich geht es immer ums Gleiche: ums Organisieren, ­Kollaborieren und Präsentieren», fügt sie an.

Die Tatsache, dass bei Kleio «jeder und jede gleichberechtigt mitwirken kann», wie die Künstlerin sagt, sei denn auch ein Unterschied zu anderen Kultur-Datenbanken, etwa wie das kuratierte Kunstlexikon Sikart.

Auch Kunstschulen und Museen sind angesprochen

Gerade bei Kultur-Institutionen und Kunstschulen sähe sie grosses Potenzial, sagt Schenker. Anstatt dass jedes Theater, jedes Museum, jede Hochschule für viel Geld ein eigenes Archiv aufbaue und so immer wieder von neuem beginne, könnten alle zentral auf Kleio zusammenfinden.

Mit wenigen Klicks lässt sich auf Kleio zum Beispiel ein eigenes Portfolio zusammen stellen.
Foto: PD

«Damit das Ganze wirklich spannend wird, peilen wir 20’000 Leute an.»
Anina Schenker

Wenn Schenker sich durch Websites von Kulturbetrieben klickt, sieht sie Archive von gezeigten Stücken oder Ausstellungen, die versteckt vor sich hin dämmern. «Das ist schade.» Etwa 3000 Personen und Institutionen sind bereits bei Kleio registriert. «Damit das Ganze wirklich spannend wird, peilen wir 20’000 Leute an.» Erst jetzt kann Schenker dank eines finanziellen Zuschusses des Kantons Zürichs Kleio bekannt machen.

Sie programmierte die erste Version selbst

Kleio entstand, weil die Künstlerin selber immer ein Tool vermisste, mit dem sie ihre eigenen Arbeiten hätte archivieren und präsentieren können. Die Idee für die Datenbank kam Anina Schenker, als sie im Rahmen eines Kunststipendiums 2004/2005 in New York weilte. «Ich war voll im You-can-make-it-Groove und begann zu progammieren. In New York scheint ja manchmal wirklich alles möglich zu sein», sagt sie und lacht.

Mit der Software Filemaker entwarf sie den ersten Prototyp. Mittlerweile gibt es die sechste Version. Für die technische Umsetzung arbeitet Schenker seit Jahren mit dem Zürcher Studio Astrom/Zimmer & Tereszkiewicz.

Dank ihrer vorherigen Tätigkeiten ist sie bestens im Kulturleben vernetzt – es macht denn auch Sinn, dass sie sich für das nicht gewinnorientierte Projekt so einsetzt.

Die gebürtige Ostschweizerin liess sich als Theatermalerin ausbilden, arbeitete später als Bühnen- und Kostümbildnerin und studierte dann Kunst. Seit einigen Jahren ist sie auch als Dozentin tätig und unterrichtet seit neustem «Digitales Archivieren» am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. Doch hört man ihr zu, spürt man: Ihre grosse Liebe, an der sie seit Jahren hängt, ist Kleo. «Für mich ist es längst ein eigenes Kunstprojekt».

kleio.com